Seit gut einem Jahr ist nichts mehr wie es einmal war. Das gilt aufgrund der Corona-Pandemie zwar für viele Lebensbereiche, doch die Schulen sind ganz besonders von der Ausbreitung des Virus betroffen. Schüler, Lehrer und Eltern mussten sich binnen kurzer Zeit auf völlig neue Lernformen einstellen. Statt im Klassenzimmer fand der Unterricht plötzlich zu Hause vor der Webcam statt und die Lehrerin oder der Lehrer tauchte nur noch auf dem Bildschirm vor den Schülern auf. Nur wenn es die Infektionszahlen zuließen, durften die Schulen ihre Tore öffnen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Für alle Beteiligten ist das eine enorme Herausforderung.
Umso wichtiger ist es, dass technische Probleme die ohnehin schwierige Situation nicht noch zusätzlich verschärfen. Leider sei genau das aber häufig der Fall, sagt Maximilian Lindner, Marktgemeinderat in Wendelstein. Er sieht massive Versäumnisse seitens der Bayerischen Staatsregierung und des Kultusministers Michael Piazolo. „Es tut mir Leid, aber den Namen Piazolo kann ich inzwischen nicht mehr hören“, ärgert sich Lindner. „Im Sommer hätte es genug Zeit gegeben, die bayrischen Schulen besser auf eine zweite Infektionswelle vorzubereiten, passiert ist aber nichts.“
In seiner Funktion als Jugendbeauftragter der Marktgemeinde hat sich Lindner in den ersten Wochen des laufenden Jahres daher intensiv mit Vertretern der Mittel- und Grundschulen vor Ort ausgetauscht. Schließlich ist hier die Kommune Sachaufwandsträger und damit maßgeblich mitverantwortlich für Ausstattung und Infrastruktur. Dass man sich seitens der Gemeinde bemüht, die Schulen bestmöglich für den digitalen Unterricht auszurüsten, erkennt der 31-Jährige durchaus an. „Da ist schon einiges passiert“, stellte er bei einem Ortsbesuch an der Mittelschule Wendelstein fest. Die Gemeindeverwaltung beteiligt bereits vor der Anschaffung von neuen Geräten die Lehrerschaft an den Schulen umfänglich. Allerdings sei es bedauerlich, dass weder der Gemeinderat, noch der Kultur-, Sozial- und Inklusionsausschuss oder er als Jugendbeauftragter detaillierter in den Prozess eingebunden waren. Er kritisiert zudem, dass es in der Vergangenheit erhebliche Versäumnisse gegeben habe. „Die Digitalisierung wurde einfach nicht so betrieben, wie es im 21. Jahrhundert zeitgemäß wäre.“ So musste die Mittelschule erst im Sommer 2020 mit Netzwerkleitungen neu verkabelt werden. Inzwischen läuft der Betrieb dort aber weitgehend reibungslos.
Wesentlich drastischer stellt sich die Situation derweil an der Grundschule Röthenbach dar. In einem Telefonat mit Rektorin Andrea Schmidt Ende Januar erfuhr Lindner, dass die Schulleiterin noch immer nicht einmal eine Webcam in der Verwaltung zur Verfügung hatte. Zehn Monate war die Pandemie in Deutschland da schon alt. Eltern, deren Kinder die Röthenbacher Grundschule besuchen, berichten zudem über Programmabstürze, blechernen Ton und Probleme beim Anmelden auf der Onlineplattform. Ein klarer Widerspruch zu den Aussagen von Wendelsteins Erstem Bürgermeister Werner Langhans (CSU). Der hatte die Lage an den Schulen der Kommune jüngst als rundum positiv beschrieben.
Besser als in Röthenbach läuft es wohl zumindest an den Grundschulen in Klein- und Großschwarzenlohe. Vertreter des Elternbeirats zeigten sich auf die Anfrage Lindners zufrieden mit den Angeboten ihrer Schulen in Zeiten des Homeschoolings. „Insgesamt muss man die Situation an den Wendelsteiner Schulen differenziert bewerten“, macht Lindner deutlich. „Einiges hat sich bereits verbessert, die Gemeinde bemüht sich. Allerdings gibt es, gerade in Röthenbach, auch noch große Probleme.“
Um Lösungen zu erarbeiten, lud der junge Politiker Vertreter der Wendelsteiner Verwaltung zu einer Videokonferenz ein. Vertreten waren der Geschäftsführer Herr Segmüller, das Bildungs- und Kulturreferat mit Andrea Söllner und Andreas Morgenstern sowie die IT Abteilung mit Herrn Grüner. Darin regte er an, das aktuell verwendete Webkonferenzsystem „BigBlueButton“ kritisch für den Einsatz an Grundschulen zu hinterfragen. „Für die Grundschule ist das nicht ideal, weil die Gesichter der Teilnehmer nur auf kleinen Kacheln angezeigt werden. Außerdem läuft es nicht stabil, wenn alle Kinder ihre Kamera angeschaltet haben“, erläuterte Lindner. Um die aktuellen Herausforderungen durch die Pandemie besser bewältigen zu können, schlug er außerdem vor, die IT-Abteilung der Gemeinde personell zu verstärken. Die bislang drei Mitarbeiter kämen trotz ihres großen und vorbildlichen Engagements kaum mehr hinterher. Zusätzliches Personal in der IT wäre aus Lindners Sicht auch langfristig gesehen ein starkes Signal: „Digitale Lernmöglichkeiten nehmen in der Schule der Zukunft immer mehr Raum ein, auch in der Zeit nach Corona. Daher gilt es, jetzt zu investieren.“
Maximilian Lindner
Jugendbeauftragter
der Marktgemeinde Wendelstein